von Katelyn Erikson
Rezensionsexemplar
Band 1 der Dilogie
Klappentext
Ein Kuss, so kostbar wie gesponnenes Gold
Die junge Ayjana ist seit dem Tod ihres Vaters stets darauf bedacht, keinem Menschen zu vertrauen. Sie lebt am Rande des Waldes und versucht alles, um ihre Magie vor den Augen anderer zu verbergen. Doch als die Königin erkrankt, kann Ayjana die Bitte des Prinzen nicht ausschlagen und bringt fortan jeden Tag eine heilende Tinktur ins Schloss. Mit jedem Besuch kommt sie nicht nur den Intrigen am Hofe, sondern auch dem Sohn der Königin immer näher. Aber die Geheimnisse von Prinz Nicolas sind gefährlicher als jede Klinge. Und schon bald muss Ayjana feststellen, dass zwischen Freund und Feind nur ein schmaler Pfad liegt, den eine Spindel gesponnenes Gold erschreckend schnell zum Einsturz bringen kann …
Eine fantastische Märchenadaption
Das Märchen der Brüder Grimm um ein Mädchen, das Stroh zu Gold spinnen muss, auf magische Weise neu erzählt. Seite um Seite wirst du tiefer in eine Welt gezogen, in der das Wissen um einen Namen mehr Macht bedeutet als das Tragen einer Krone.
Namen haben Macht
Wenn ich ehrlich bin, dann war mein Leseerlebnis ein wenig durchwachsen. Aber fangen wir von Vorne an. Die Idee hinter der Geschichte ist nicht uninteressant. Anders als der Klappentext vermuten lässt, wird hier nicht die Geschichte der Müllerstochter wiedergegeben, der Rumpelstilzchen in ihrer Not zu Hilfe kommt. Hier geht es im Prinzip um eine Fortsetzung dieses Märchens mit einigen interessanten Twists.
Ayjana ist die Tochter von Rumpelstilzchen. Zwar wird er im ganzen Buch nicht namentlich erwähnt, aber man weiß es trotzdem. Die ehemalige Müllerstochter ist nun zur Königin geworden und hier setzt der erste Twist an. Was wäre, wenn diese ihre Herkunft vergessen hätte und zu einer grausamen Herrscherin geworden wäre? Was wäre, wenn die Magie weit vielfältiger ist, als im ursprünglichen Märchen? Ich finde diesen Ansatz sehr spannend und er wurde auch gut und glaubhaft aufgebaut. Der Name Ayjana ist natürlich nur einer, den unsere Protagonistin in der Menschenwelt benutzt. Ihr wahrer Name wird in diesem Buch noch nicht gelüftet. Ihn zu kennen, würde ihrem Gegenüber Macht über sie verleihen. Und dann ist da diese Sache mit ihrem allerersten Kuss. Der ist lebenslang verbindlich. Ayjana muss also sehr vorsichtig sein, wem sie ihr Herz schenkt. Während sie es entspannt angehen lässt, verhält sich ihre Mutter allerdings ziemlich übergriffig. Ayjana ist jetzt langsam erwachsen. Sie muss unbedingt bald heiraten. Als unsere junge Heldin eines Tages einen verletzten jungen Mann mit nach Hause bringt, um ihn gesund zu pflegen, ist es der Mutter ein regelrechtes Bedürfnis, sie in dessen Arme zu stoßen. Ist er nicht nett? Wie findest du meine Tochter? Du könntest doch Unterricht im Kämpfen bei ihm nehmen? Trallala ich lass euch jetzt mal allein... ganz auffällig unauffällig, damit nur ja jeder mitbekommt, dass ich euch gern zusammen sehen würde. Ach und ein Anbau für unser Haus wäre gut! Der wird doch sicher bleiben und benötigt ein eigenes Zimmer! Außerdem denke ich ja schon an Enkel! Nein, nichts davon habe ich mir ausgedacht! Und ja, sie kennen sich mal gerade seit gefühlten fünf Minuten.
Auch wenn im Buch später ein anderer Grund genannt wird, gehe ich doch schwer davon aus, dass dieses Verhalten mit Schuld daran trägt, dass er ihr dann sagt, er sei an Männern interessiert. Im Gegensatz zu anderen Lesern habe ich das nicht eine Sekunde geglaubt. Bitte, dafür sind seine Äußerungen ihr gegenüber viel zu eindeutig. Der wahre Grund, weshalb er ihr das erzählt, ist dann auch irgendwie solala. Ich habe unter dem Lesen sehr häufig den Eindruck, dass hier aus viel zu vielen Dingen ein riesiges Geheimnis gemacht wird. Immer wieder kommt es zu Missverständnissen und anstatt darüber zu sprechen und diese wirklich simplen Dinge zu erklären, wird ein riesen Tamtam veranstaltet. Es ist nicht so, wie es aussieht. Der Satz ist zurecht abgedroschen. Was macht die Protagonistin? Rennt weg. Jedes Mal. Was praktischerweise darin gipfelt, dass sie kopflos und unvorsichtig wird und so in Gefahr gerät und gerettet werden muss. Für den Fortgang der Geschichte ist es natürlich wichtig, dass sie dort landet, wo sie landet, aber dass sie da nur aus Trotz rein schlittert ist dann doch irgendwie schade.
Der Antagonist ist mir auch zu wenig subtil. Menschen können auf verschiedene Arten schlecht oder grausam sein. Aber nein, er muss jemand sein, der junge Frauen foltert, vergewaltigt und wahlweise verbluten lässt oder sie in die Sklaverei schickt. Entschuldigung, das ist mir etwas zu platt. Muss es wirklich gleich ein blutgetränktes Spielzimmer sein? Gerade das Wort gibt mir so hässliche Shades of Grey vibes. In meinen Augen braucht die Geschichte dieses plakativ Böse überhaupt nicht.
Ich glaube das Buch richtet sich eindeutig an ein wesentlich jüngeres und unerfahreneres Publikum. Für den geübten Leser ist vieles zu vorhersehbar. Stellenweise irritiert mich auch der Schreibstil. Mal mutet er altertümlich an, dann wird wieder ein modernes Wort eingeflochten und mitunter werden Wörter ganz falsch gebraucht.
Ansonsten ist es schön geschrieben. Ich habe die Geschichte durchaus gerne gelesen. Was ich nicht ganz verstanden habe ist, warum man hieraus zwei Bücher gemacht hat. Das Büchlein ist ja schon recht schlank.
Stellenweise haben wir leider auch Logikprobleme
Ayjana soll an einem bestimmten Punkt Stroh zu Gold spinnen. Hier gibt es noch einen netten Verschreiber, in dem die Königin fordert, sie möge gefälligst Gold zu Stroh spinnen. Der Punkt ist jetzt aber, dass sie das noch nie zuvor getan hat und keine Ahnung hat, wie das gehen soll. Das war mehr so das Ding ihres Vaters. Jetzt erpresst man sie mit ihrer Familie. Dabei gibt es eine Person, die sich ebenfalls in Gefangenschaft befindet, die die Gabe nachweislich hat. Denjenigen könnte man genauso leicht erpressen. Aber nö, man nimmt sie, die es noch nie im Leben gemacht hat. Und oh Wunder sie kann es sogar. Einfach so!
Dann hat Ayjanas Mutter Pläne, die hier noch nicht gelüftet werden. Die sehen allerdings vor, dass sich der Gesundheitszustand der schwerkranken Königin trotz ihrer magischen Hilfe nicht bessert. Was passiert dann? Es geht ihr täglich immer besser. Warum eigentlich? Was haben wir hier verpasst? Vieles wird bis zum Schluss offen gelassen. Manche dieser Dinge sind so banal, dass man sich tatsächlich fragt, warum sie nicht in diesem Buch geklärt werden. Wie zum Beispiel die Frage, warum kein einziges Bild des verstorbenen Königs im Palast hängt und weshalb die Königin ihr Wappen von türkis zu weiß geändert hat.
Irgendwie ist das alles ziemlich unbefriedigend. Ich bin mir absolut nicht mehr sicher, ob ich hier den zweiten Band noch lesen möchte. Zu Beginn dachte ich noch: Auf jeden Fall! Jetzt eher weniger. Das Buch endet mit einem Cliffhanger, aber auch der lässt mich jetzt nicht unbedingt zu Band 2 greifen. Vielleicht später einmal. Es ist nicht so, dass man dieses Buch überhaupt nicht lesen kann. Aber ein must read ist es eben auch nicht.
Eckdaten
Seitenzahl: 260
Genre: Fantasy für Teenager
Verlag: Impress by Carlsen
Bewertung: ★★☆☆☆
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