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AutorenbildMaikes Privatbibliothek

Protagonistin Pepper im Segelflugzeug

Aktualisiert: 27. März 2023

von Tini Wider



Eine Exklusivstory zu Zeitenchaos Pepper hatte ein saumäßig glückliches Händchen mit dem Wetter als sie mich besucht hat! Das ist wichtig für mein ungewöhnliches Hobby, bei dem sie mich begleitet hat! Die Gute hat es ja nicht so sehr mit der Orientierung in Städten, daher hab ich ihr mal mit einem anderen Blickwinkel geholfen. Ich wünsche euch viel Spaß mit dieser kleinen Geschichte, die Tini Wider exklusiv für mich geschrieben hat! So könnt ihr ihren Stil noch besser kennen lernen! Von London nach Bonn »Und pass auf dich auf, ja? Keine Dummheiten machen, so ganz ohne mich.« Noah strich mir liebevoll über die Wange und gab mir einen letzten Kuss. Immer noch prickelte es, wenn er mich berührte. Jedes einzelne Mal. »Aber ja doch. Ich bin schon groß«, grinste ich ihn an, dabei unterdrückte ich das flaue Gefühl in meinem Magen. Auf was hatte ich mich da nur eingelassen? Dann drehte ich mich entschlossen um und ergab mich dem langwierigen Prozedere der Pass-, Zoll,- Gepäcks,- Gesichts und Unterhosenkontrolle. Okay letzteres war nur mein Gefühl, doch es wurde einem nicht einfach gemacht zu verreisen heutzutage. Mittlerweile hatte ich den Flug zum Glück beinahe hinter mich gebracht. Zum Glück, denn Fliegen zählte nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Sarkasmus Pepper lümmelte auf ihrem hohen Ross und lachte sich gerade krumm und schief. Nun gut, jetzt war es ohnehin zu spät, es gab kein Zurück mehr. Die Flugbegleiter überprüften noch einmal den ordnungsgemäßen Sitz des Gurtes und schon fühlte ich den Druck in meinen Ohren, denn wir sanken stetig und viel zu schnell für meine Begriffe. Leichte Panik stieg in mir auf, dabei war ich normalerweise keine hysterische Person. Als die Maschine jedoch mehrere Hopser durch diverse Luftlöcher vollzog, krallte ich mich mit aller Kraft in meine Armlehnen. »Das wird toll!«, hatte Lena voller Begeisterung ausgerufen. »Stell dir vor, was du alles erleben kannst? Noch dazu alles aus der Luft!« Ja denkste. Erst musste ich einmal diesen Flug überleben. Nun gut, Zähne zusammenbeißen und hinaus starren. Denn bei geschlossenen Augen sah ich nur schreckliche Katastrophenbilder wie eine fürchterliche Collage an mir vorüber ziehen. Oder war das mein Leben, das da an mir vorüber zog? Panik Pepper hatte das Ruder fest in der Hand. Mit einem, was mir so vorkam, entsetzlich wackeligem Sprung setzte das riesige Ding endlich am Boden auf und schlingerte beängstigend hin und her. Das einzige, was mich beruhigte war, dass wir an Geschwindigkeit verloren bis wir nach endlosen Minuten zum Stehen kamen. Puh. Das wäre geschafft, zumindest war ich in Deutschland gelandet. Die Einreise verlief verhältnismäßig unspektakulär, nicht einmal meine etwas größere Fotoausrüstung erregte beim Zoll Aufmerksamkeit. Jetzt wartete ich gespannt, dass die automatische Türe sich öffnete und mein Begrüßungskomitee mich in Empfang nahm. Oder zumindest hoffte ich das. Ich kannte die junge Frau, die mir Miss Schlager über drei weitere Ecken als Kontakt vermittelt hatte nicht persönlich. Nun gut, bei Reisen ins Ungewisse, war ich doch mittlerweile Spezialistin. Solange wir auf einer Zeitlinie blieben, würde ich das schon hinbekommen überlegte ich grimmig. Ich bog um die Ecke und da sprang mir sofort ein Schild mit meinem Namen ins Auge. Das sah richtig hübsch aus - Willkommen Pepper Tea - die Schrift war überaus kunstvoll geschwungen und sogar mit verschiedenen Farbtupfern verziert. Da hatte sich jemand aber wirklich Mühe gegeben. Dahinter versteckte sich eine junge Frau, mit hellbraunen kinnlangen Haaren und einer vorwitzigen Nase, die sich ebenso wie ich suchend umsah. Was mir sofort auffiel war ein zarter weißer Spitzenkragen, den sie über einer blauen Bluse trug. Das wirkte so exquisit, dass ich mir vornahm sie später unbedingt noch darauf anzusprechen. Ich hätte mir ein Namensschild machen sollen, schoss es mir durch den Kopf, aber dann entdeckte sie mich schon. Was hatte mich verraten? Die geringelten Strumpfhosen oder meine Schirmmütze? Ihr Gesicht hellte sich merklich auf und wirkte noch um vieles sympathischer. »Pepper? Ich bin Maike! Schön dich kennenzulernen.« Mir fiel ein Stein vom Herzen, denn sie sprach astreines Englisch. Ein wenig hatte ich mich gefürchtet, denn mit meinen Deutschkenntnissen war es nicht sehr weit. »Guten Tag. Wie geht es ihnen?«, stammelte ich, um wenigstens etwas in der Landessprache von mir zu geben. Maike lachte und ignorierte meinen holprigen Versuch freundlicherweise und so setzten wir die Unterhaltung zu meiner großen Freude in Englisch fort. »Mir geht es wunderbar, danke. Wie war der Flug? War es nicht zu windig? Es gab ja eine Sturmwarnung für London.« Erleichterung machte sich breit, denn sie gab mir Gelegenheit ganz einfach in die Konversation einzusteigen. »Um ehrlich zu sein war es sehr wackelig. Mir ist noch immer ein wenig übel. Ich frage mich wie du das überhaupt aushältst in so einem kleinen Flugzeug.« Maike warf mir kurz einen Seitenblick zu und grinste dann. »So eine Boeing kann man jetzt gar nicht mit einem Segelflugzeug vergleichen. Das ist ein ganz anderes Gefühl. Ja und wenn man das schon so lange macht wie ich...« Jetzt brach meine Neugier durch. »Bist du wirklich schon mit 14 Jahren allein in so einem Ding geflogen?« Bei der Vorstellung schüttelte es mich ein klein bisschen, aber Maike lächelte nur ganz versonnen bei der Erinnerung. »Nun mit 12 Jahren hat alles begonnen. Mit meiner Freundin Moni habe ich damals meine allererste Runde um den Flugplatz gedreht und obwohl es nicht mehr als 5-10 Minuten gewesen sein können, kam mir das viel länger vor und ich war absolut geflasht. Als meine Mama mich wieder abgeholt hat, habe ich gesagt: Das will ich machen! Mit 13 Jahren bin ich in den Verein eingetreten und mit 14 Jahren durfte ich mit den Schulungen beginnen und flog dann auch recht bald alleine.« Ihre Augen glänzten und ich konnte mir das junge Mädchen nach dem ersten Flug richtig gut vorstellen. »Ja, aber hattest du denn niemals Angst? Ich meine so ganz alleine da oben, ich weiß nicht...« Wir waren mittlerweile bei ihrem Auto angekommen, verluden meine Ausrüstung und die kleine Reisetasche im Kofferraum. Kurz sah ich mich um. Der Flughafen war modern und nicht besonders groß. Trotzdem sah alles ganz anders aus, als ich es gewöhnt war. In dem Moment, als ich zur Autotür griff, stieß ich mit Maike zusammen. Wir entschuldigten uns und in der gleichen Sekunde wurde mir bewusst, dass ich auf der falschen Seite einsteigen wollte. Natürlich! Wir kicherten beide: »Von mir aus kannst du gerne fahren,« verkündete Maike, aber ich hob abwehrend die Hände. »Oh nein, Rechtsverkehr? Das ist nichts für mich. Ich bin froh, dass ich im Linksverkehr nicht völlig die Orientierung verliere.« Pippa wäre natürlich ohne mit der Wimper zu zucken eingestiegen und hätte womöglich noch zum Ziel gefunden, ohne das Maike etwas gesagt hätte. Meine Vorbildschwester eben. Innerlich streckte ich ihr die Zunge raus und versuchte von mir abzulenken. »Bist du schon mal im Linksverkehr gefahren?« Maike nickte und ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus: »Ja, das hat witzigerweise wieder mit dem Segelfliegen zu tun.« Ich hob eine Augenbraue, wie das denn nun bitte? »Das Hobby bringt es mit sich, dass man nebenbei auch noch sehr fix Auto fahren lernt. Also mit 13 Jahren konnte ich bereits Rechts- und Linkslenker Geländewagen fahren. Die Flugzeuge selbst schleppen wir immer mit Golfcarts zurück zum Start, wenn sie gelandet sind, aber die Seile von unserer Winde müssen mit größeren Wagen geholt werden. Wir haben dafür 2 Ford Transit mit offener Ladefläche. Und du kannst dir vorstellen wie viel Spaß das macht.« In Gedanken nickte ich, denn das hätte mir tatsächlich auch gefallen in dem Alter. »Fahren wir direkt zum Flugplatz?« Die Landschaft zog an uns vorbei und wir passierten eine kleinere Ortschaft. »Ja, es ist maximal eine halbe Stunde von hier und dann können wir uns vorher noch alles ansehen.« Ich schluckte. »Toll.« Maike merkte sofort, dass ich nicht ganz so begeistert reagierte. »Hast du Angst?« Ich nagte ein wenig an meinem Fingernagel herum und überlegte eine passende Ausrede, aber da fiel mir beim besten Willen nichts ein. »Hattest du denn nie Angst?« »Nein, Angst hatte ich nie. Wenn man die hat, macht man das Hobby auch nicht. Grundsätzlich gibt es auch gar nichts, wovor man Angst haben müsste. Die meisten Leute, die beispielsweise Höhenangst haben, haben sie im Flugzeug nicht, weil du da ein ganz anderes optisches Gefühl hast – du siehst zum Beispiel nicht die Wolken so ziehen, dass du das Gefühl hast, dass das Gebäude auf dem du bist, kippst. Du sitzt in dem kleinen Flieger sehr gemütlich in der Luft.« Aha. Vorsichts-Pepper war noch nicht ganz überzeugt. Warum hatte ich mich noch mal darauf eingelassen? Ja, klar die Vorstellung, als Miss Schlager mir den Vorschlag machte, fand ich unheimlich toll und ich hatte ganz impulsiv sofort zugesagt. Aber jetzt, so kurz davor wurde mir doch etwas mulmig in der Magengegend. Die Umgebung wirkte nun zusehends ländlicher und ich konnte das Gelände des Flugplatzes schon erahnen. Auch hier gab es Kreisverkehre, was mich seltsamerweise etwas beruhigte, wenn schon alle auf der falschen Straßenseite herumfuhren. Wenige Minuten später waren wir auch schon an einem Parkplatz angekommen. Wir stiegen aus dem Wagen und Maike drückte mir ein blaues Hütchen in die Hand. »Das ist Standard. Jeder hier trägt das.« Meine Augenbrauen schossen nach oben, aber sie sah so sehr ernst aus dabei, dass ich den Hut schell tauschte. Ein Blick ins Fensterglas des Autos zeigte mir, dass er mir wunderbar stand. Das ist das Glück, wenn man ein Hutgesicht hat. Maike half mir mein Equipment auszuladen und wir gingen auf drei große Gebäude mit weißen Flachdächern zu. Immer wieder passierten wir Menschen, die sehr zielsicher herumliefen und Maike schien jede Person zu kennen. Ich murmelte verstohlen mein deutsches Guten Tag in mich hinein und versuchte nicht allzu sehr aufzufallen. Dafür hatte ich zwar keinen Grund, aber das war mal wieder typisch für mich. Auf dem Flugplatz angekommen staunte ich nicht schlecht. Jeder schien ganz genau zu wissen, was er zu tun hatte, allerdings hatte ich das Gefühl ich sei nicht ganz Teil dieser Weltordnung. Nun gut, ich würde mich einfach an Maike anklammern. Gerade bewunderte ich eine Segelflugmaschine, als Maike mit zwei großen Rucksäcken wieder auf mich zukam. Außerdem hatte sie sich umgezogen und trug fast das gleiche Hütchen wie ich. »So. Jetzt wird es ernst. Zuerst lege ich dir den Fallschirm an und erkläre dir ein paar wichtige Dinge vor dem Start. Alles klar?« Ich stellte mich in Position und kicherte ein paar Mal, weil es so kitzelte bis das Ding sicher verschnallt war. So ein Fallschirm fühlte sich gut an, aber irgendwie machte es mir auch bewusst, wie gefährlich es werden konnte. Maike plauderte fröhlich von Höhenmeter und Fahrtenmesser, Libellen und Steuerknüppeln. Ich konnte mir nicht alles merken. Dann kletterte ich in das Segelflugzeug und Maike befestigte die Gurte. »So, krieg jetzt keinen Schreck, aber wenn ich sage: Wir müssen hüpfen, dann drehst du hier, um den Gurt zu öffnen, eine Drehung, egal in welche Richtung, ja? Und so öffnet man die Haube.« Stumm nahm ich alles auf und registrierte, was sie sagte. Das mulmige Gefühl wurde bei solchen Ansagen nicht besser, umso erleichterter sah ich Maike an, als sie in leichtem Ton fortfuhr: »Das ist aber noch nie passiert. Trotzdem müssen wir natürlich alle Möglichkeiten durchgehen.« Jetzt setzte sich Maike an ihren Platz und überprüfte alle Hebel und absolvierte eine Funkprobe. Es war sehr beruhigend zu hören, dass das nur der letzte Check war und der ausführliche immer davor gemacht wurde. »Ach und der Fallschirm öffnet sich von selbst. Nur im Falle das Falles.« Mein Mund war ganz trocken und ich nickte. Meine Hand klammerte sich an die Kamera, die wir auch so befestigt hatten, dass sie nicht herausfallen konnte. Ich hatte mich für eine Zoomoptik entschieden, da die Lichtverhältnisse ausgezeichnet waren und ich da oben auf keinen Fall Objektive wechseln wollte. Und dann ging es auch schon los. Maike verwendete einige Kommandos, die ich nicht wirklich verstand, aber die mir viel Sicherheit gaben. Sie wirkte unheimlich routiniert. Mit einem sanften Ruck straffte sich das Seil, das Flugzeug setzte sich in Bewegung und rollte langsam an. Es ratterte ein wenig, aber viel schneller, als ich es erwart hatte, hoben wir schon ab. Immer höher stiegen wir in die Luft, und ich konnte den Luftzug pfeifen hören. Gerade als ich mich an das Gefühl gewöhnt hatte rief Maike über ihre Schulter. »So jetzt sind wir gleich frei.« Und fast im gleichen Moment konnte ich spüren, dass der Windenfahrer - ja ich hatte genau aufgepasst bei dem Wort - vom Gas ging und die Nase des Flugzeugs leicht nach unten ging. Ein metallisches Geräusch verriet mir, dass das Seil sich jetzt ausgeklinkt hatte. Maike betätigte noch eine kleine gelbe Kugel, aber ich war jetzt völlig von meiner Umgebung eingenommen. Das erste, dass mir auffiel war die Stille. Fast lautlos glitten wir durch die Luft und ein winziger Teil von mir begann diesen Wahnsinnstrip zu genießen. Wir bewegten uns nach rechts und Maike steuerte das Flugzeug in eine sanfte Kurve. Ich konnte andere Flugzeuge beobachten, aber wie auch schon alle Menschen am Boden, wussten alle wie sie sich zu benehmen hatten, ohne ineinander zu krachen. Oder das hoffte ich zumindest. Ein Blick nach unten verriet mir, dass wir über einen Friedhof flogen. »Vergiss nicht deine Kamera,« bemerkte Maike völlig zurecht, denn ich hatte völlig überwältigt einfach nur dagesessen. Ich zückte also mein Gerät und versuchte ein paar gute Schnappschüsse. Alles sah von hier oben einfach nur fantastisch aus und ich war jetzt schon sicher, Frau Schlager würde sehr zufrieden sein. »Was ist dieses Gebäude mit den hohen Spitzen da hinten am Fluss?«, fragte ich Maike. »Das ist der Kölner Dom. Leider können wir da nicht viel näher ran. Aber die Sicht ist schon richtig gut heute.« Staunend nickte ich, auch wenn Maike das ja gar nicht sehen konnte. Es war absolut friedlich hier oben. Langsam konnte ich Maikes Leidenschaft nachvollziehen. Das Gefühl war einfach unbeschreiblich, so ganz frei von allen Dingen, die einen auf der Erde beschäftigten. Irgendwie bekam man einen seltsamen Abstand zu den ganzen Alltagsproblemen. Ruhig war es, bis auf ein sanftes Rauschen der Luft und ein stetiges Piepsen, dass aber eher beruhigend auf mich wirkte. Maike hatte vorher erklärt, dass es die hohen Töne sind, die bestätigten, dass alles in bester Ordnung war. So flößten mir die hohen Töne einigermaßen Vertrauen ein. Plötzlich ging ein Ruck durch das Flugzeug, ich blickte panisch nach unten und sah einen großen Steinbruch. Maike jedoch schien das beinahe erwartet zu haben und wandte sich ein wenig zu mir. »Keine Angst, das sollte passieren. Das trägt uns noch ein Stückchen höher. Wenn du magst, zeige ich dir wo ich aufgewachsen bin.« Ich nickte und bemühte mich mit normaler Stimme zu antworten: »Ja, wenn wir dabei nicht abstürzen, gerne.« Maike kicherte nur, was mich schon wieder beruhigte. Sie hatte so eine Art, die mich immer wieder in einen Zustand der Überzeugung versetzte, dass mir hier absolut nichts passieren konnte. Wir stiegen wieder höher und überflogen einen großen Fluss. Jetzt packte mich allerdings meine Lust zu fotografieren und ich fand ein Motiv, das schöner war als das andere. Maike begleitete das ganze mit Erklärungen, die sie mir später noch einmal genauer erläutern musste. Da war ihr ehemaliger Schulweg, der Kindergarten, ein Marktplatz und die Universität. »Da guck mal -hier ist das Rathaus. Da haben mein Mann und ich geheiratet.« Es war atemberaubend schön. In all dem Trubel hatte ich doch tatsächlich fast Noah vergessen. Wirklich schade, dass er nicht mitkommen konnte, aber es war nun mal ein Arbeitsauftrag meiner Galerie. Ich würde ihm alles haarklein berichten, denn ich war überzeugt, dass er absolut begeistert vom Segelfliegen wäre. Er war viel mutiger und unerschrockener als ich. Vielleicht konnten wir das später in England einmal wiederholen sinnierte ich vor mich hin und merkte dabei, wie sehr ich ihn vermisste. Als ob sie es gespürt hätte deutete Maike mit dem Finger auf eine verfallene Burg. »Siehst du da? Das Siebengebirge und die Burg dort ist heißt Drachenfels. Und dort in dem Hotel am Petersberg war schon mal die Queen zu Besuch.« »Wirklich?«, staunte ich schon wieder und musste kichern, als Maike wie die Queen nach rechts und links im Cockpit winkte. Wir glitten mit unwahrscheinlicher Eleganz dahin und ich fühlte mich mit einem Mal richtig wohl. Abwechselnd sah ich mich um, nahm ich Atmosphäre in mich auf, schoss ein fantastisches Foto nach dem anderen und fühlte mich richtig frei und ungezwungen. Wer hätte das gedacht? Maike drehte sich um und fragte: »Möchtest du funken?« Was? Die hat ein Vertrauen in meine Aussprache. »Ich, aber...« »Sprich mir einfach nach: 3 November Position,« und ich wiederholte: »3 November Position.« In meinen Ohren klang das mehr wie 3 Novembersition. Unglaublicherweise ertönte die Antwort: »3 November.« Was soviel wie - wir sehen euch, gute Landung - hieß. »Hände weg vom Steuerknüppel und gib auf deine Füße Acht,« rief Maike mir noch zu und bevor ich mich noch wundern konnte, verstand ich warum. Alle Hebel und Pedale, die Maike vorne bediente, bewegten sich hier hinten mit und ich stellte meine Füße auf eine sichere Stelle. Den Moment der Landung wollte ich unbedingt mit der Kamera einfangen. Wir nahmen an Geschwindigkeit zu und aus dem Augenwinkel konnte ich eine Stromleitung über Straßenbahnschienen erhaschen. War das knapp gewesen? Doch Maike war die Ruhe selbst und das übertrug sich schnell auf mich. Ich konnte genau fühlen, als sie die Landeklappen ausfuhr und wir näherten uns langsam aber sicher der Erde. Der Boden kam immer näher und wir setzten sanft am Boden auf. Der Pilot der Boeing sollte mal Flugstunden bei Maike nehmen, also ehrlich. Ein kurzes Rumpeln und dann standen wir schon. »Warum neigt sich die linke Tragfläche so? Ist das normal?«, fragte ich Maike. Die guckte nicht mal genau hin und antwortete, während sie die Plexiglashaube öffnete. »Oh, ich habe einmal kurz mit dem Querruder nach links ausgeschlagen, damit wir besser aussteigen können.« Auch ich kletterte aus dem Flugzeug und jetzt wurde mir mit einem mal bewusst wie sehr meine Knie zitterten. Ich musste mich sogar ein wenig an dem Flugzeug anlehnen, zum Glück war Maike mir behilflich den Fallschirm abzuschnallen und auf den Sitz zu legen. »Alles in Ordnung Pepper?« fragte sie mich mit mitfühlender Miene. Oje was machte ich denn für einen Eindruck? Ich holte einmal tief Luft. »Ja, Maike das war einfach unbeschreiblich.« Da hellte sich ihr Ausdruck merklich auf und ich war froh, denn der Flug hatte mir unglaublich gut gefallen. Auch wenn ich mich ein wenig überwinden musste, hatte es sich doch total ausgezahlt. Da rollte auch schon ein Golfcart heran und ein junger Mann macht sich mit Maike daran ein bewegliches Rad an das Flugzeug anzuschnallen. Jetzt konnte es bequem gezogen werden. Maike machte keine Anstalten sich in das kleine Gefährt zu setzen und unsicher folgte ich ihr mit leicht wackeligen Knien. »Pepper, bitte setz sich in das Kart. Nur der Pilot muss neben dem Flugzeug marschieren und die Tragfläche halten. Das ist völlig in Ordnung.« Dankbar machte ich es mir gemütlich und sah wie wir ein weißes Tuch am Boden passieren. Wie hatte sie das genannt? Landetuch, genau. Ich wurde noch zum Segelflugexperten, dachte ich mir und musste schmunzeln. Ich hatte mich mit meinem Laptop an einem Tisch im Vereinsheim platziert und spielte meine Fotos auf die Festplatte. Sicher war sicher. Außerdem war ich auch wahnsinnig neugierig. Maike war nun auch fertig und kam mit zwei Glas Apfelsaft zu mir. Durstig stürzte ich das Getränk in einem Zug hinunter. »Wer bestimmt eigentlich, wann du ganz allein fliegen darfst?«, wollte ich noch von ihr wissen. In meiner Vorstellung musste das ein schrecklicher Moment sein, so völlig alleingelassen da oben zu sein. Es war schon toll mit Maike zu fliegen, aber ganz allein war dann schon eine andere Sache. Maike lächelte, denn sie schien den Augenblick viel positiver in Erinnerung zu haben. »Ich fliege seit meinem 14 Lebensjahr alleine. Meine Fluglehrer haben mir alles beigebracht. Dafür gibt es übrigens einen Ausbildungsnachweis, in den eingetragen wird, was man wann mit wem gelernt hat. Gut, eines Tages hat einer der Lehrer gesagt: So. Du bist soweit. Du fliegst heute alleine. Und dann machst du das. Du weißt, dass der Lehrer das nicht sagen würde, wenn du es nicht könntest. Die letzten Flüge saß der eh nur als Gepäck hinten drin und du hast bereits alles alleine gemacht. 3x fliegt man für die erste Prüfung alleine. Abends bekommt man von der kompletten Mannschaft den Hintern versohlt und erhält einen auf dem Platz gepflückten Strauß Blumen. Die Klapse dienen dafür, deinen Hintern für die Thermik zu sensibilisieren – heißt es. Danach gibst du den Kollegen im Vereinsheim eine Runde aus.« Meine Augen wurden immer größer bei ihrer Erzählung, aber das Strahlen in ihrem Gesicht wurde immer stärker und ich musste mich einfach mit ihr freuen. Interessante deutsche Bräuche waren das. »Oh und gehört dir das Flugzeug eigentlich?« Die Kosten mussten ja ganz schön hoch sein für dieses Hobby. Aber wieder überraschte mich Maike mit ihrer Antwort: »Ein eigenes Flugzeug ist eine teure Angelegenheit und lohnt sich auch nicht, da du immer andere Menschen brauchst, die dir in die Luft helfen. Alle Flugzeuge gehören dem Verein. Der Startschreiber notiert dann die Start und Landezeiten. Denn der Verein rechnet in Flugminuten ab. Je länger du fliegst, desto mehr zahlst du. Allerdings nur bis zu einer Stunde Flugzeit. Danach wird es für den Piloten nicht mehr teurer. Das sind Centbeträge. Summa summarum kostet das Hobby nicht mehr als jeder andere Sportverein.« Ich nickte, denn das leuchtete mir ein. Langsam musste ich mich wieder auf den Weg nach Hause machen und ich begann meine Tasche zu packen. »Müssen wir schon wieder los?« Ich zuckte mit den Schultern. »Leider muss ich morgen wieder in der Galerie sein: Frau Schlager und Summer sind beide nicht da. Sonst wäre ich natürlich gerne geblieben. Aber da gab es ein paar Terminkollisionen.« Maike war wieder in ihr anderes Outfit gewechselt und jetzt ergriff ich meine Chance. »Darf ich das mal anfassen?« Sie guckte kurz verwundert bis ich mit dem Finger schon vorsichtig über die Spitze tastete. »Was ist das? Ich habe so etwas noch nie gesehen.« Stolz lächelte Maike. »Man nennt das Occhi. Ein sehr seltene und alte Handarbeitstechnik. Das mache ich zur Entspannung.« Dabei grinste sie ein wenig verschmitzt. Jetzt musste ich den Kopf schütteln. Was konnte diese Frau noch - im Orchester spielen, Schwimmen und vielleicht noch Judo? Ich fragte lieber nicht nach, weil sonst würde sie mir langsam unheimlich. Mittlerweile saßen wir wieder im Auto. Die Verabschiedung war herzlich und freundlich gewesen und ich hatte den Eindruck, dass der Verein eine Art Familie für Maike geworden war. »Der Verein ist wirklich toll und man hat das Gefühl du bist dort richtig zu Hause. Warst du wirklich die erste aus deiner Familie, die da dabei war?« Maike nickte. »Ja, aber das witzige ist, dass mein Lieblingsopi später immer behauptet hat, dass er mich zum Fliegen gebracht hätte. Er hatte damit in Wirklichkeit nichts zu tun. Er war zwar selbst Segelflieger, aber das wusste ich zu der Zeit nicht. Er hat nur meine Cousins mit auf den Platz genommen. Nie die Mädchen. Aber dass ich das Erbe fortführe, hat ihn stolz gemacht. Mein Papa ist wiederum im Verein hängen geblieben, weil er in meine ersten dreiwöchigen Fliegerferien mitgefahren ist und dort viele in seinem Alter waren, mit denen er sich super verstanden hat.« Wir verfielen beide in nachdenkliches Schweigen. Die Landschaft zog wieder an uns vorbei, aber es war ein ganz anderes Gefühl, als am Morgen, als ich ankam. Jetzt hatte sich auf seltsame Weise meine Perspektive verschoben. Ein kleiner Teil flog irgendwie noch immer über mir. Ich konnte das schwer in Worte fassen, dennoch war es ein sehr befriedigendes Gefühl. Viel zu schnell kamen wir schon wieder am Flughafen an und ich schnappte mir mein Gepäck. Ich stand Maike gegenüber und wir umarmten uns gleichzeitig. Es veränderte sich etwas zwischen zwei Menschen die gemeinsam in der Luft waren. »Maike, das war einfach toll. Vielen Dank und ich hoffe wir können das noch einmal wiederholen. Für Noah, meinen Freund, wäre das der absolute Wahnsinn.« »Na klar, jederzeit.« In dem Moment wollte ich mir durch die Haare fahren und bemerkte, dass ich immer noch das Hütchen trug. »Oh, das gehört dir,« und ich reichte es Maike. Die winkte nur lachend ab. »Behalt es, als Erinnerung.« »Ach wie lieb ist das denn?« Nicht nur eine talentierte Pilotin sondern eine durch und durch nette Person. Wahrscheinlich war sie auch noch Künstlerin und liest jede Menge Bücher, die sie dann auf einem Blog rezensiert. Ja ja, das hatten wir schon, dieses Thema ließ ich mal lieber fallen. Noch einmal umarmten wir uns fest und ich drehte mich in Richtung Eingang. Ein Blick auf die Anzeigetafel zeigte mir, dass ich mich beeilen musste. Mit wundervollen Bildern im Kopf (und auf der Festplatte), die mir die Welt von so weit oben gezeigt hatten und dem tollen Gefühl, dass ich etwas geschafft hatte, machte ich mich auf den Weg nach Hause.

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